Wenn sich "Zugereiste" in eine Gegend verlieben, dann kann es schon passieren, dass sie nicht nur bleiben, sondern auch mehr Liebe in ihre Produkte stecken und viel mehr auf Qualität achten als die Einheimischen selbst. Das ist besonders in der Toskana durchaus häufiger zu beobachten. Wenn sich dann auch noch zwei Qualitäts-Verliebte treffen und gemeinsam ein Weingut betreiben, dann kommen eben auch grandiose Weine dabei heraus.
Der österreichische Unternehmer Karl Egger und seine Familie verliebten sich in ein ganz wunderbares Fleckchen Erde im Süden der Toskana bei Radda in Chianti und erwarben dort ein altes Landgut. Eigentlich ist es sogar ein Weiler mit Kapelle, also ein kleines Dorf, könnte man sagen, denn das bedeutet Castiglioni auf Italienisch. Dessen Geschichte reicht bis in das Jahr 1078 zurück. Damals gründeten die Mönche des nahen Klosters Badia a Coltibuono dieses Gut, das in den letzten Jahren von den Eggers nach und nach liebevoll restauriert und reaktiviert wurde. Rund 100 Hektar Land zählen dazu. Der Großteil davon ist bewaldet, es gibt aber auch ca. 20 ha Weinberge und ca. 10 ha Olivenhaine, die seit 2012 bewirtschaftet werden.
Sean O'Callaghan – von seinen Freunden liebevoll "Il Guercio" gerufen, was man frei mit "der Einäugige Lausbub" übersetzen könnte – ist eigentlich Engländer und wurde geboren in Sri Lanka, wo seine Familie Tee-Plantagen betrieb. Zurück in England pflanzte sein Vater Wein nahe Somerset und schickte Sean nach Deutschland, wo er in Geisenheim Weinbau studierte und dann – statt den Weinberg in England zu übernehmen – dort blieb und u.a. beim Weingut Diel Kellermeister wurde. Bei einem Urlaub in Italien traf er John Dunkley, den Besitzer von Riecine, einen Vordenker im Chianti Classico und dessen Önologen Sergio Manetti (Montevertine – Le Pergole Torte), bekam den Job als Winemaker und blieb dort knapp ein Vierteljahrhundert, bis er Karl Egger kennenlernte.
Karl Egger bot Sean O'Callaghan die Möglichkeit, das Weingut Tenuta di Carleone aufzubauen, gab ihm freie Hand in der Weinbereitung und ließ ihn den Keller neu einrichten. Von Edelstahl über Holzgärständer, Eichenfässer in verschiedenen Größen bis zu modernen Zementtanks wie in den teuersten Bordeaux-Kellern – Sean kann jede einzelne Parzelle so vinifizieren, wie er es für richtig hält. Der neue Weinkeller ist stattliche 600 Quadratmeter groß, Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind konstant. Beton- und Edelstahltanks sowie Holzfässer für die Gärung stehen ebenso zur Verfügung wie Lagerfässer aus Eichenholz in verschiedenen Größen. Sean O'Callaghan fasst die perfekten Bedingungen im Keller wie folgt zusammen: "Um das Beste aus der hervorragenden Qualität der Trauben herauszuholen, sind Verarbeitung, Reifung und Lagerung der Weine enorm wichtig – und wir haben sie jetzt mehr denn je". Der Anbau ist organisch-biologisch, teilweise biodynamisch, vergoren wird nur mit eigenen Hefen und spontan. Langer Schalenkontakt und langsame Vergärung, teilweise mit ganzen Trauben, bringen den Unterschied.
Die Weinberge um Radda, bis hinüber nach Gaiole, gehören zu den besten im Chianti Classico. Diese waldreiche, bergige Landschaft ist etwas kühler und stets mit frischer Brise durchzogen. Manche Weinberge reichen hinauf bis knapp 700 m Seehöhe. Tagsüber wehen die auflandigen Winde vom Meer, nachts frischt der Wind von den Bergen auf und kühlt die Reben ab. Dieses Wechselspiel bringt eine saftige, ausgeprägte Frucht, und die kargen, kalkhaltigen Böden lassen die Weinstöcke tief wurzeln und bringen Eleganz und mineralische Noten in die Weine. Die Weine von Sean O'Callaghan werden gerne als burgundisch bezeichnet. Elegant und feingliedrig sind sie jedenfalls immer. Das Ergebnis seines leidenschaftlichen Schaffens kann sich nicht nur genießen, sondern auch sehen lassen.